29.11.09

Von Maria Vill und David Mannstein zurück zu Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller

Von Cuentacuentos

Bei meinem Besuch in Jena an diesem Wochenende hatte ich Gelegenheit, die am 7. November eingeweihte neue Attraktion der Stadt zu besichtigen, wobei in diesem Fall von Besichtigung zu sprechen, eine schamlose Übertreibung ist. Tatsächlich hätte ich über drei Tage, unausgesetzt lesend, ausharren müssen, um den Briefwechsel zwischen den beiden großen deutschen Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller komplett zu lesen. Das ca. 30 Meter lange LED-Schriftband befindet sich an der Fassade des Neubaus Unterm Markt 1, wo damals das Kirstensche Haus stand. Die Installation, auf den ersten Blick so nüchtern und sachlich wie ein Nachrichtenticker, ist durchaus geeignet, den Betrachter zu fesseln, hat er sich einmal darauf eingelassen, dem in vortreffliche Worte gesetzten Gedankenaustausch zu folgen. Um die vom lange in den Nacken gelegten Kopf leicht steif gewordene Muskulatur wieder zu entspannen, empfiehlt es sich, die Aufmerksamkeit dem anderen Teil der künstlerischen Installation zuzuwenden, 60 ins Pflaster des Markplatzes eingelassene, handtellergroße Bronze-Bodenplatten mit 30 verschiedenen Blattmotiven. Sie markieren den Spazierweg, den die beiden Dichter am 20. Juli 1794 bei ihrer ersten persönlichen Begegnung nahmen, sich dabei über die Metamorphose der Pflanzen austauschend, und der vom Bachsteinschen Haus, das sich an der Stelle des heutigen Parkplatzes hinter dem Rathaus befand, zum Kirstenschen Haus führte, in dem Schiller vom Mai 1794 bis zum April 1795 wohnte.


Im vergangenen Jahr hatte die Stadt Jena zwölf deutsche Künstler eingeladen, anlässlich des 260. Geburtstags Goethes und des 250. Schillers einen Entwurf für ein Kunstwerk vorzulegen, welches die schicksalhafte Begegnung der beiden Dichterfürsten im Jenaer Wunderjahr 1794 zum Thema haben sollte. Den damit verbundenen Botho-Graef-Kunstpreis für zeitgenössische Kunst dem Berliner Künstlerpaar Maria Vill und David Mannstein für ihre Arbeit mit dem Titel „Intellektuelle Zweisamkeit“ zuzuerkennen, halte ich für eine gute und hintersinnige Entscheidung, denn die intellektuelle Zweisamkeit ist der intellektuellen Einsamkeit ganz offensichtlich vorzuziehen. So freut sich in mir die Berlinerin, mehr aber noch die Jena-Liebende. Da ich dies am 1. Advent schreibe, sei noch erwähnt, dass ich auch die Entscheidung, dem Jenaer Weihnachtsmarkt durch historische Rummelplatzattraktionen ein anderes Gesicht zu geben, sehr begrüße. Aber zu diesem Thema hat Villa schon einen anschaulichen und Stadtkenntnis beweisenden Bericht geschrieben.


Danke liebe Cuenta für deinen Besuch und deinen schönen Bericht. Schiller lässt die Jungfrau von Orlean fragen " Wie kommt solcher Glanz in meine Hütte?" Nun, ich weiß wer meine Hütte glänzen ließ - lieber Besuch aus Berlin!

1 Kommentar:

  1. Liebe Villa,
    zu danken habe ich. Es war wieder sehr, sehr schön bei Euch.

    Das Foto vom Unterm Markt 1 muss ich unbedingt Alexandra und Markus schicken. Sie werden ihre Freude daran haben, dass die LED-Schrift über einer Apollo-Filiale läuft, und so ein lesenwerter Text könnte manchen Anreiz zum Kauf einer neuen Brille bieten. Vielleicht sollte man ja alle Optiker davon überzeugen, ihre Schaufenster mit Ähnlichem zu krönen.

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