12.06.11

Deutsche Bahn boykottiert Saale-Weinmeile

"Ein guter Schluck zur rechten Zeit, schafft Frohsinn und Gemütlichkeit."
Das diesjährige Motto der Saale-Weinmeile war der Deutschen Bahn wohl ein Dorn im Auge.
Unser Zug 9.13 Uhr vom Jenaer Saalbahnhof verspätete sich um rund eine viertel Stunde und obwohl der Zugführer nach eigener Aussage darum gebeten hatte, den Anschlusszug auf dem Umsteigebahnhof in Großheringen warten zulassen, war dies verweigert worden. So strandeten ca. 50 Weinfreunde, die sich auf die Saale-Weinmeile begeben wollten in Gr0ßheringen. Da war die Stimmung noch relativ gut, obwohl wir hier fast eine Stunde warten sollten. Sie schlug aber schnell um, als eine weitere Hiobsbotschaft kam: Der nächste Zug nach Bad Kösen würde ausfallen bzw. käme noch ein Stunde später. Viele Fahrgäste fuhren enttäuscht zurück nach Hause. Von Frohsinn und Gemütlichkeit keine Spur mehr. Seit dem 8. Juni betreibt die DB einen Twitter-Kummerkasten Twitterkanal @DB_Bahn, der wäre am Pfingstwochenende für servicerelevante Fragen eh nicht in Betrieb gewesen (vorerst immer von Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr), hätte uns aber auch nichts genutzt, da wir rund um den Bahnhof keinen Netzempfang hatten. Unsere zehnköpfige Gruppe ergatterte nach einiger Zeit, unter Mithilfe der Großheringener Bevölkerung, ein Großraumtaxi und kam sehr teuer mit Kind und Kegel in Bad Kösen an.

Die bereits traditionelle Saale-Weinmeile zwischen Bad Kösen und Roßbach im südlichen Burgenlandkreis feierte an diesem Pfingstwochenende ihr 10-jähriges Jubiläum.
Wie auf einer Perlenschnur reihten sich entlang der 6 km langen Wegstrecke 34 bekannte Weingüter und Winzer, die ihren Wein im Nebenerwerb oder als Hobby anbauen.

Entlang der Meile erlebten die Liebhaber der Saale-Unstrut-Region die schöne Natur, den Weinbau, Kulinarisches und Musikalisches hautnah. Allerdings waren Tausende unterwegs und das Gedränge oft sehr groß. Wir hatten Glück, bei jedem Regenschauer saßen wir gerade unterdacht bei einem guten Tröpfchen. Besonders gut gefallen hat mir die Musik der The String Company, mal wild-zigeunerisch, mal cool, mal harmonietrunken.

Zwischen der Kurstadt Bad Kösen und dem Weindorf Roßbach wurde den Weinfreunden unterhalb der Weinberge beste Weine und gute Unterhaltung geboten.

Ein Bus-Shuttle brachte uns zurück zum Bahnhof Bad Kösen und die Rückfahrt verlief reibungslos.
Frohsinnig Villa

Wie immer: Doppelklick macht Bilder groß

07.06.11

Traumautos?

Von Cuentacuento

Jetzt übertreibt sie aber doch ein bisschen, dachte ich und meinte Villa. Vor dem Hotel, in dem sie abgestiegen war, standen fünf oder sechs Rolls-Royce Stoßstange an Stoßstange. So etwas habe ich noch nicht mal vor dem Adlon gesehen – dass die luxuriösesten der Luxus-Karossen nicht mehr in die Tiefgarage passen, sondern wie normalsterbliche Autos am Straßenrand parken müssen. Da ich mich nicht so leicht beeindrucken lasse von Dingen „that money can buy“ fragte ich später den Taxifahrer, der uns zu „unserem“ Hotel brachte: „Sagen Sie mal, stehen die immer da? Ist das Dekoration?“ – „Nein“, klärte er uns auf, „die nehmen wohl an dieser Rallye teil.“ Und später konnte ich es dann auch in der Zeitung nachlesen: Die Mitglieder der Schweizer Sektion des "Rolls-Royce Enthusiasts' Club" sind im Osten Deutschlands unterwegs. Ihre Tour, genannt "Thüringen-Sachsen-Rallye 2011", begann am Himmelfahrtstag. Noch bis Pfingstsonntag sollen weltweit bekannte Ziele in Thüringen angefahren werden.


Je nun, die schöne Thüringer Landschaft hat es verdient, dass auch Schweizer – und selbst solche mit Rolls-Royce – sich an ihr erfreuen. Und Villa, der Frühaufsteherin, gönne ich es von Herzen, dass sie sich am Anblick der morgens um sechs den Lederlappen schwingenden Rolls-Royce Fahrer erfreuen konnte. Oder jedenfalls will ich doch hoffen, es waren die Fahrer (Besitzer) höchstpersönlich, die da wienerten, putzten und auf Hochglanz brachten. So viel Sportsgeist möchte wohl sein! Oder funktioniert das wie mit den Schuhen, die man zum Putzen vor die Zimmertür stellt, so mit den Autos, die man zum Putzen vor die Hoteltür…???

cuentacuentos

Jenseits der Sehnsucht

Von Cuentacuento

Waren wir „jenseits der Sehnsucht“, als wir uns auf der Terrasse vor der Gastronomie der ACC Galerie Weimar niederließen? Fast. Wenn einem vom Laufen die Füße wehtun, und man durstig ist, hat man eigentlich nur noch zwei Wünsche: Füße hochlegen und etwas Erfrischendes trinken. Aber nicht nur profane Touristenbedürfnisse, sondern auch die Ausstellung „Jenseits der Sehnsucht“ hatten uns hierher gelockt. Zum 16. Mal führt die ACC Galerie Weimar ihr Atelierprogramm durch und zeigt vom 13. Mai – 19. Juni 2011 die Arbeiten der Stipendiaten.

Die Nähe zur Bauhaus-Universität ist überaus passend zu den Gemälden der Argentinierin Leila Tschopp. Seit 2006 hat die Künstlerin verschiedene Projekte entwickelt, die Malerei mit dem realen Raum, Architektur und Szenografie verbinden. Ihr spezielles Interesse gilt Bauwerken aus den 20er- bis 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ihren Deutschland-Aufenthalt nutzte Leila Tschopp, um die Satellitenstädte Halle-Neustadt und Gera-Lusan zu bereisen und sich auf die Spuren Oskar Schlemmers zu begeben. Es entstanden erste Ideenskizzen. Zu erwarten sind Gemälde und Installationen, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart kreuzen, wobei der Blick bewusst nach vorn gerichtet bleibt, die Idee der Moderne als Utopie wieder aufgegriffen wird, um die Gegenwart neu zu durchdenken. Die jetzt gezeigte Installation aus architektonischen Elementen, Leinwänden und Wandgemälden, die den Betrachter in einen fiktionalen Raum versetzen sollen, vermittelt einen ersten Eindruck.

Christoph Ziegler, hatte sich mit der Installation „Utopisches Institut Weimar“ um das Stipendium beworben. Auch sein künstlerisches Interesse geht vom urbanen Raum und dem Spannungsfeld zwischen Mensch und Architektur aus und untersucht das Streben nach Fortschritt und Perfektion im Widerstreit zu den individuellen Bedürfnissen und den aus ihnen entwickelten Überlebensstrategien, die durchaus darin bestehen können, etwas auf die einfachste Funktionalität herunter zu brechen. Und was könnte einfacher sein als ein Institut, das nicht mehr ist, als eine aus rohen Brettern gezimmerte „Gartenlaube“, in der man Fachliteratur ausleihen und arbeiten kann? Mehr beeindruckte uns aber seine Installation „Moebling“ (2010), bestehend aus einem Objekt, einem Video und einer Serie von Fotografien. In „Moebling“ inszeniert sich der Künstler selbst: ein Schattenboxer in seinem ästhetisierten Kampf, in der Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden Einrichtung und deren vorgegebener Funktion. Dabei entstehen kritisch-ironische Konstruktionen und Assemblagen. Es geht um die Legitimierung des Körpers als Experimentalorgan. Bei der Verflechtung von Körper und Möbel eröffnen sich Zwischenräume, in denen der Körper zum Experiment wird bei der Suche nach einer wenn auch unbequemen Lösung.

Kathrin Schlegel untersucht in ihren ortsbezogenen Installationen und Interventionen die subtilen Rituale des Zusammenlebens und die Mehrdeutigkeit standardisierter Umgangsformen. Bezogen auf die Weimarer Geschichte und deren Spiegelung im Stadtraum und mit einer deutlichen Reminiszenz an Vanitas-Stillleben arrangierte sie die beiden vermeintlich falschen Schillerschädel in einem Zwiegespräch. Die Künstlerin weist darauf hin, dass es sich hier nicht um die „originalen falschen“ Schädel, sondern um die „falschen falschen“ Schädel handelt, um eine Fiktion von der Fiktion. In Szene gesetzt wird ein endgültiges, nur in der Vorstellungswelt existierendes Zwiegespräch. Ähnlich hintersinnig und doppeldeutig ist die Performance, ausgeführt auf Schloss Plüschow von authentischen Charakteren der Region um die Wismarer Bucht „Ein Seefahrer und ein Kettenraucher spielen eine Kerzenlänge Schiffeversenken“, in der Ausstellung als Videoarbeit zu sehen. Kathrin Schlegel führt den Aberglauben, dass ein Seefahrer stirbt, wenn man eine Zigarette an einer Kerze ansteckt, ad absurdum. Durch die melodramatische Inszenierung des Spieles «Schiffeversenken» auf dem Dachboden des Schlosses Plüschow bekam das Spiel den bedrohlichen Charakter eines Duells auf Leben und Tod, während die Kerze sich verzehrt.

Vorher die Füße hochgelegt und etwas in der Gastronomie „verzehrt“ zu haben, wirkt sich übrigens ermäßigend auf den Eintrittspreis aus. Ich weiß nicht, ob sich vorheriger Ausstellungsbesuch auch ermäßigend auf den Getränkepreis ausgewirkt hätte. Auch Sprichworte wie „Erst die Arbeit, dann…“ sollte man mal ad absurdum führen.

Kleiner Nachtrag: Der Jenaer Politik- und Literaturwissenschaftler Fabian Beigang hält heute (7.6. 2011 20.00 Uhr) zur aktuellen Ausstellung einen kritischen Vortrag über Facebook, Apple, Google & Co. Thema "Neue utopische Räume oder lauter "Große Brüder"?
Villa

Hans-Christian Schink im Neuen Museum Weimar

Von Cuentacuento

Seit dem 8. April und noch bis zum 13. Juni zeigt das Neue Museum Weimar die Ausstellung „Hans-Christian Schink - Fotografien 1980 bis 2010“ und bietet damit einen beispielhaften Überblick über die verschiedenen Werkgruppen eines der bemerkenswertesten international arbeitenden Fotografen unserer Zeit.

Mit dem Fokus auf vier thematischen Schwerpunkten, zeigt diese Werkschau hauptsächlich großformatige Fotografien aus den Serien „Wände“ (1996-2005), „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ (1998-2003), die 2004 auch als Bildband verlegt wurde und international Beachtung fand, außereuropäische Landschaften sowie das Projekt „1 h“.

Menschenleer sind Schinks Interieurs und Landschaften, und Letztere liegen unter einem gleichsam leeren Himmel. Dies erfordert Geduld bei der Auswahl des geeigneten Materials, Geduld beim Warten darauf, dass der Himmel verschleiert aber nicht verhangen ist oder, wie bei den „Verkehrsprojekten“, der letzte Bauarbeiter die Baustelle verlassen hat. Belohnt wird diese Geduld durch eine nachdenkliche Stille, die nicht durch Kontraste zerrissen wird, durch die zarten Pastelltöne, mit denen sich die Antarktis, die peruanischen Tempel und vietnamesischen Wälder fotografisch zeichnen lassen.


Die Tageslichträume des Neuen Museums Weimar bieten einen optimalen Rahmen, zumal man darauf verzichtet hat, so viel wie möglich zu zeigen. So dienen einige Stücke aus den frühen Zyklen „Leipziger Bäder“ (1988), und „Pjönjang Metro“ (1989), welche die großen Wandgemälde im Gewölbe der Metrostationen gleich Altarbildern inszeniert, zur Vervollständigung der Werkschau, die einen Eindruck vom beachtlichen Spektrum dieses Fotografen vermitteln und gleichzeitig dessen Handschrift erkennen lassen soll.

Hans-Christian Schink, 1961 in Erfurt geboren, studierte von 1986-1991 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, zu deren Meisterschülern er in den zwei folgenden Jahren zählte. Die Serie „LA Night“ entstand 2002-2003 während eines Aufenthaltsstipendiums der Villa Arosa in Los Angeles. 2008 wurde Schink für die Serie „1 h“ mit dem „REAL Photography Award“ ausgezeichnet. Inspiriert durch das Foto „Black Sun“ (1955) des amerikanischen Fotografen Minor White und die dabei verwendete Technik der Solarisation, schuf Hans-Christian Schink eine Bilderfolge mit Belichtungszeiten von jeweils genau einer Stunde. Über Landschaften, deren Breiten- und Längengrad jeweils genau angegeben ist erscheint im Verlauf der ebenfalls genau angegebenen Stunde die Sonnenbahn wie ein fremdartiges Flugobjekt mit variierender Länge und Neigungswinkel. Die fotografisch „festgehaltene“ Zeit lässt auch die unter der Solarisation liegende Landschaft seltsam erstarrt und unwirklich erscheinen.

In größerem Umfang wird die Werkschau anschließend im MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg gezeigt. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:
Hans-Christian Schink - Fotografien 1980 bis 2010
Hatje Cantz Verlag, 2011
180 Seiten | 38,50 EUR
ISBN: 978-3-7443-0150-3

Online können Bilder aus den oben erwähnten Serien und mehr auf der Webseite der Galerie Rothamel angeschaut werden.


Diese Schink-Retrospektive sollte man sich nicht entgehen lassen.
Dank an Esau75 für den wertvollen Tipp und den Berlinern für das schöne Weimar Treffen.
Villa