Für diejenigen, die es nicht wissen, sollte ich vielleicht erst einmal erklären, was ein Umspannwerk ist. In einem Umspannwerk werden unterschiedliche Spannungsebenen innerhalb eines elektrischen Versorgungsnetzes mit Hilfe von Leistungstransformatoren miteinander verbunden. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Ein Umspannwerk sorgt u.a. dafür, dass aus der Steckdose in der heimischen Hütte kein Starkstrom fließt. Wird ein Umspannwerk nicht mehr benötigt, weil der Energieversorger andernorts umspannen lässt, verwandelt sich so eine Ansammlung von Transformatoren in eine ziemlich spannungslose Angelegenheit, es sei denn, man macht es, wie sie es in Jena gemacht haben. Hier ist das ehemalige Umspannwerk inzwischen eine Stätte spannender Kultur. Neben Lesungen unter dem Titel „Geistreiches am Donnerstag“, Zirkus, Kindertheater u.v.m. kann man dort von April bis Oktober an den Sonn- und Feiertagen die IMAGINATA besuchen (an Werktagen nur Führungen für Gruppen und Schulklassen) und Stunden mit den rund 100 Experimenten zubringen. Villa, Phillipp und ich waren dort und wurden nicht nur durch optische Täuschung wieder zu Kindern, sondern stürzten uns wirklich mit kindlicher Spielfreude und Entdeckungslust auf alles, was geboten wurde, obwohl „das Schiefe Haus von Jena“ uns schon gleich hinter dem Eingang fast außer Gefecht gesetzt hätte. Dabei hatten wir meinen Besuch in Jena und das gemeinsame Frühstück in der jetzt von Weinlaub fast überwucherten Wagnergasse doch nur mit einem dezenten Gläschen Prosecco gefeiert. Trotzdem rief das Befolgen der auf einem Schild angebrachte Aufforderung: „Geh langsam in Kreis. – Achte auf deine Körperwahrnehmung...“ einen Zustand hervor, der am besten mit „total besoffen“ zu beschreiben ist.
Das ehemalige Umspannwerk bietet eine ideale Kulisse für die physikalischen Experimente, die man hier selbst nachvollziehen kann. So kannte ich das unglaublich schwarze Schwarz, das noch schwärzer ist als Schwarz nur aus einem Douglas-Adams-Roman. Hier durfte ich mich selbst davon überzeugen, dass etwas so schwarz sein kann, dass man nicht mehr zu unterscheiden vermag, ob es sich um einen Körper oder um ein schwarzes Loch handelt. Viel (be-)greifbarer wirkten auf den ersten Blick die Holzkugeln, von denen Villa und Phillipp versuchten, möglichst viele in einem gläsernen Würfel unterzubringen. Das erwies sich als größere Herausforderung, als man zunächst meint. Ebenso wenig hätten wir vorherzusagen vermocht, wie sich ein Pendel bewegt, das an einem anderen Pendel befestigt ist. Mit einer über einer Düse schwebenden Kugel (Wasserball) wird der Bernoulli-Effekt vorgeführt, denn der Luftstrom lässt sich umlenken. Wird der Ball nun abstürzen? Nein, er tut es nicht. Sehr zweifelhaft aber erschien mir, ob ich in einer Reihe unterschiedlich großer Dominosteine auch den letzten und größten, mehrere Kilo schwer, zum Umfallen brächte, wenn ich nur den kleinsten (kleiner als ein normaler Dominostein) umstieß. Und wirklich überrascht war auch Phillipp, dass ein leerer Zylinder eine Schräge schneller hinunter rollte als ein mit Holzkugeln gefüllter, der mit Öl nicht einmal genug Schwung bekam, um das Ende der Bahn zu erreichen, während der mit Wasser alle anderen übertraf.
Dass man Meeresrauschen nicht nur in einer Muschel, sondern auch in einem Lampenschirm hören kann, störte meinen Sinn für Romantik ein bisschen; und waren die Hörspiegel-Ohren, mit denen Villa so fröhlich herumspazierte auch eine Demonstration der Helmholtz-Resonanz? – Ach, es gab ja so unendlich viel zu lernen! Mir schwirrte der Kopf, und das benutze ich jetzt mal als Ausrede dafür, dass ich Phillipps „Geheimbotschaften“, diese großartige Pantomime, die er aufführte, um mir zu zeigen, was er aus verschiedenen Holzklötzern auf seiner Seite der Sichtblende baute, auf meiner Seite nicht 1:1 nachzubauen vermochte.
An diesem Punkt unseres IMAGINATA-Besuchs waren wir längst zu Kindern geworden, erlebten diese herrliche Mischung aus Albernheit und Wissbegierde, so dass es des Riesentisches mit entsprechenden Stühlen kaum bedurft hätte, um uns zu zeigen: Wir waren auch mal klein. Eher an meine Teenager-Disco-Zeit erinnerte mich dann das Schwarzlicht. Himmel, war das damals peinlich, wenn die Mädels plötzlich scheinbar im BH auf der Tanzfläche standen, und den Jungs die pubertären Schuppen wie Schnee auf den Schultern lagen! Gleich nebenan wartete die Plasma-Kugel und verzauberte uns regelrecht. Sie mit den Fingern zu umkreisen machte einfach noch mehr Spaß als an ihr die 1904 von Nikola Tesler erfundene Leuchtstoffröhre zum Leuchten zu bringen.
Die Tuschel-Muschel ließ mich an die Sala de los Secretos der Alhambra denken, denn auch in dieser Muschel kann man, gegen die Wand gekehrt, jemandem an der gegenüberliegenden Seite der Kuppel etwas zuflüstern, was dann wie eine Geisterstimme aus der Wand selbst zu kommen scheint. Und wirklich verblüffend war das Haus der Riesenzwerge. Zwar konnte man sich den Grund für die optische Täuschung erklären, hätte aber niemals mit einem solchen Größenunterschied gerechnet.
Wirklich tolle Fotos hat Villa in dem Teil der Ausstellung gemacht, in dem es um Spiegel und Kaleidoskope geht. Kein Spiegelkabinett auf einem Rummelplatz hat mich je so entzückt und zum Lachen gebracht. Hier wird nichts verzerrt, es sind die Spiegelungen der Spiegelungen, welche die überraschendsten Effekte erzielen. Wer manchmal, um sich weniger allein zu fühlen, in den Spiegel schaut, kann hier in einem dreieckigen Spiegelkabinett regelrecht ins eigene Gedränge kommen oder sich zwischen zwei Spiegeln bis in unendliche Fernen zuwinken. Am schönsten aber sind die Spiegel-Kaleidoskope, durch die man sein Gegenüber betrachten kann. Ich glaube, es ist seit Jahrzehnten das erste Mal, dass ich mir ein Foto von mir am liebsten an die Wand hängen würde. Nein, ich denke, ich entscheide mich doch für ein Triptychon als Erinnerung an diesen fantastischen Tag. Ein Besuch der unterhaltsamen und lehrreichen Ausstellung in dieser interessanten Umgebung ist wirklich jedem zu empfehlen.
Danke, liebe Chris für die schöne Zusammenfassung unseres Imaginata-Besuches. Es war ein toller Tag, der für mich und dem Gatten beim Bergfest der Kulturarena im Volksbad endete.
Villa
Liebe Villa,
AntwortenLöschenes freut mich so, dass Euer Abendprogramm dann auch noch ein voller Erfolg war - während ich diesmal irgendwie "in der Holzklasse" nach Berlin zurückgefahren bin. Das richtige ICE-Gefühl wollte in dem überfüllten Zug nicht aufkommen, und letzte Aussichten auf Eure schönen Berge und Burgen habe ich auch nicht mehr erwischt. Das alles konnte mir den guten "Nachgeschmack" aber nicht verderben. Nochmals ganz lieben Dank für die wunderbare Gesellschaft und natürlich auch fürs Umsetzen hier im Blog.
Liebste Grüße
Chris
Schön, dich wieder wohlbehalten in Berlin zu wissen.
AntwortenLöschenUmsetzung ist gut, ich verzweifele an dieser blöden HTML-Ameisenscheiße.
Es will und will nicht die richtige Größe annehmen.
Dammich nochmal!
Vielleicht sollten wir uns ja irgendwann gemeinsam über die HTML-Geheimnisse her machen - nach Deinem Urlaub und wenn in Jena so janischt los ist, so dass es nichts Gemütlicheres gibt, als in Deiner Küche zu sitzen und über HTML zu schimpfen.
AntwortenLöschenSehr liebe Grüße
Chris
Ich habe ein Ahnung, was das heutige Problem war.
AntwortenLöschenDanke für dein liebes Hilfsangebot!