16.05.13

Jena - Pilze - Orchideen Mai 2013

In meiner Kindheit gab es in Jena noch eine flächendeckende Pilzberatung. Die Berater unterstanden dem Hygiene-Institut und bekamen für ihr Ehrenamt eine Aufwandsentschädigung sowie die Möglichkeit zur Aus- und Weiterbildung. Heute scheinen sie kaum noch eine Lobby zu haben, von staatlicher Förderung ganz zu schweigen. Sehr schade!
Unsere Stadt kann sich sehr glücklich schätzen, dass der Mykologe Andreas Gminder 2003 von Stuttgart nach Jena übersiedelte und seither den Jenaern mit Rat zur Seite steht.
Bei ihm besuchte ich den großartigen Kurs "Jena-Pilze-Orchideen". Unter solch fachkundiger Führung standen die vier Tage unter einer guten Schirmherrschaft und ich erhoffte mir neue Erkenntnisse in "Sachen Pilze".


Unsere sehr nette, illustre Gruppe war aus ganz Deutschland angereist. Da ergaben sich auch nebenher interessante Gesprächsthemen. Alle einte eine tiefe Naturverbundenheit. Die Natur ist eine wahre Meisterin der Komposition und wir haben genau hingeschaut.


Das Exkursionsgebiet lag im mittleren Saaletal um Jena und den von Muschelkalk und Buntsandstein geprägten Berghängen. Die schönen Mischwälder und das warme Mikroklima boten fantastische Voraussetzungen für Frühlingspilze und Orchideen. Die Tagestouren waren für mich schon fast ein sportliches Großereignis. Wir wanderten über die Wilhelmshöhe zum Fuchsturm, durch das wunderbare Gleistal zur Zietschkuppe, entlang der mittleren Horizontale der Kernberge (Wöllmisse, Pennickental, Johannisberg, Teufelslöcher, Fürstenbrunnen, Diebeskrippe, Studentenrutsche), durch das Mühltal in Richtung Norden, auf den Jenaer Forst, durch das wildromantische Rautal und das Leutratal.


Karl der Käfer und seine krabbelnden Artgenossen waren ständige Begleiter, nur der Maikäfer hatte sich rargemacht.


Es wurde auf jeden Pilz geachtet, mochte er fürs Auge auch noch so klein sein. Diese "Himbeeren" auf Buche sind Pustelpilze (Nectria coccinea)


Und diese an reife Orangen erinnernde Gebilde sind Blutmilchpilze, Protagonisten aus der Gruppe der Schleimpilze.


Solche wunderbaren Bachtäler auf Kalk waren ideale Morchelparadiese.


Für uns "Pilzler" sind Erstfunde immer ein Anlass zur Freude. Ich hatte eine imaginäre Wunschliste im Kopf und hätte mich schon über einen einzigen Neufund gefreut. Dass ich die breite Palette der Schlauchpilze (Ascomycota) finden durfte, lag an den idealen Bedingungen und dem Mann vom Fach - Andreas Gminder.
Die schönsten Funde möchte ich euch zeigen:

Die Böhmische Verpel oder Runzel-Verpel mit ihrem schönen glockenförmigen Hut ist vom Aussterben bedroht und schützenswert.


Eine weitere seltene Art ist die Fingerhut-Verpel oder Glocken-Verpel, ein Bodensaprobiont, der in Auwäldern und an Flussufern wächst.


Die aromatische Speise-Morchel wurde reichlich gefunden und  getrocknet. Sie war die Grundlage für unser gemeinsames Abschiedsessen.


Die  Käppchen-Morchel zeigte sich auch häufig.


Die Flatschmorchel aus der Gattung Morchelbecherlinge haben wir lange gesucht.


Wunderschön die Hochgerippte Becherlorchel oder Pokal-Rippenbecherling. Bei reifen Exemplaren kann man durch vorsichtiges Berühren explosionsartige Sporenwolken beobachten.


Der Pilz "Größter Scheibling" wurde am morschen Holz eines Fichtenbaumstumpfes gefunden. Er ist eine Lorchel in Form eines Becherlings.


Tataaa, dies ist wohl unser Sensationsfund des ganzen Ascomyceten-Potpourris: die Zipfel-Lorchel (Gyrsomitra fastigiata). Dieser Fund musste erst mikroskopisch gesichert werden, ehe auch Profi Andreas daran glaubte. Ich fand diesen Pilz im Rautal, als die Gruppe schon längst zu den Orchideen weitergewandert war. Dieser stark gefährdete, giftverdächtige Pilz war mein persönlicher Höhepunkt der Pilzsuche.



Auf die unzähligen weiteren Pilze möchte ich nicht näher eingehen. Bei all diesen Funden habe ich Wissen aufgesaugt wie ein Pilzschwamm das Wasser.


Auch die vielen, vielen Blümchen am Wegesrand und Orchideen laden in Jena Naturfreunde ein, die Heimat neu zu entdecken.




So einen Kurs zu besuchen ist eine Bereicherung. Herzlich bedanke ich mich bei Andreas Gminder und seiner liebenswerten Familie und den netten Kursteilnehmern.

Villa, Lost in Paradise

07.05.13

Morcheln in Jena

Unglaublich, aber das große Morchelfinden 2013 geht in eine neue Runde. Nach den schönen Käppchenmorcheln und den vielen Spitzmocheln war die begehrte Speisemorchel (Morchella Esculenta) noch zu finden. Dieser edle Speisepilz schmeckt angenehm würzig und ist bei Kennern ein äußerst beliebter Pilz. Das Finderglück war mir hold. Nach Eschen habe ich Ausschau gehalten und auf einer alten Apfelbaumplantage wurde ich fündig. Sie wuchsen so reichlich, dass ich an eine Halluzination glaubte.


Ein Pilzgang nach Villas Geschmack

05.05.13

Geteiltes Glück

Gibt es ein Ministerium für Glück und Wohlbefinden? Schaffen wir es gemeinsam zum Bruttonationalglück?
Die Plakataktion der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim begegnete mir gestern in der Oberaue auf meiner Frühlingswanderung durch das Pennickental in Richtung Wöllnitz und zurück durch die Saale-Auen.


Mein Ziel und Glück auf dieser etwas verregneten Wanderung sollte die Suche nach Morcheln sein. Dieser Frühjahrspilz ist ein begehrtes Glück für jeden Pilzgänger und eine kulinarische Köstlichkeit. Als ich nach vierstündiger Wanderung die Hoffnung längst aufgegeben hatte, wurde ich an den Saale-Auen doch fündig.
Die Käppchenmorchel, ein Schlauchpilz, der auch als Halbfreie Morchel bezeichnet wird, wächst bevorzugt in Auwäldern. Nun, davon haben wir ja in Jena reichlich.


Einmal die Büchse der Pandora geöffnet und meine Sammelleidenschaft kannte kaum Grenzen. Dabei mahnte mich ja das Plakat in der Oberaue: Bewusstsein, Reduktion, Zufriedenheit!


Zufrieden registrierte mein Pilzauge noch andere Pilzschönheiten. Der Schuppige Stielporling hatte riesige, frische Fruchtkörper ausgebildet. Sie sind auch essbar, aber ich habe sie nur abgelichtet.




An den gleichen abgeholzten Baumstämmen fand ich auch wunderschöne Becherlinge, welche ich noch bestimmen muss.



Mit dem Gespür für die richtige Zeit am richtigen Ort registrierte mein Pilzradar noch weitere Pilzlein.


Vom neu gestaltenten Märchenbrunnen im Jenaer Paradies aus trat ich den Heimweg an.


...um zu Hause festzustellen, für den kulinarischen Hochgenuss einer Morchelrahmsoße hatte ich nicht genügend Sahne im Haus. Also noch mal in den nächsten Supermarkt, Sahne kaufen. Das neue Studentenwohnheim in unmittelbarer Nähe des Supermarktes hatte im letzten Jahr die Grünanlagen mit Rindenmulch ausgestattet und da klingelte was in meinem Kopf: Rindenmulch = Mulcheln! Das erfreuliche Ergebnis seht ihr hier:


Komplettiert wird der heutige Sonntagspilzbraten "Morcheln in Rahmsoße" von einem Bacchus 2012 trocken "Jenaer Grafenberg". Dieser Jenaer Wein ist eine Rarität unter den Saale-Unstrut-Weinen. Den Weinanbau bei Kunitz beobachte ich seit seiner Wiederbelebung 2010 und nur er erscheint mir passend für das opulente Morchel-Pilzmahl.




Morchelbezwingerin Villa, mit drei Zeckenbissen, die ihr Glück gerne mit euch teilt.